
Hommage
Eine Künstlerin des Uneindeutigen

Wie keine andere Künstlerin ist Irma Bamert mit dem Lassalle-Haus Bad Schönbrunn verbunden. Heute feiert sie ihren 100. Geburtstag.
Eine Hommage von Toni Kurmann SJ
„Malen und Leben ist doch dasselbe. Und Beten und Malen ist auch dasselbe.“ Diese scheinbar simple, doppelte Lebens-Gleichung stammt von Irma Bamert, und aus diesem betenden Malen heraus hat sie für das Lassalle-Haus Bad Schönbrunn eine ganze Reihe von künstlerischen „Lassalle-Momenten“ geschaffen. Der bis heute prägendste darunter ist gewiss ihr Bild „Ciel et Désert“.
Es ist der Blickfang schlechthin im ansonsten so schlichten Zendo, dem Zen-Meditationsraum. Es ist ein Moment, wenn man so will, der den Augenblick überwindet – und in seiner höchst lebendigen Spannung zwischen Wüste und Himmel auch als Sinnbild dient für die im Lassalle-Haus von Niklaus Brantschen begründete Tradition einer hellwachen Meditation.
Das alles ist kein Zufall. Bereits 1974 kam sie erstmals mit Zen in Berührung. Menschen erinnern sich an Irma Bamert: Regelmässig nahm sie an Fasten- und Zen-Kursen teil, zunächst bei Pater Lassalle, später bei Niklaus Brantschen. Und wer sie erlebt hat, der erinnert sich unweigerlich an ihr herzliches Lachen. Ihr Humor: ansteckend und unvergessen.
Irma Bamerts Kunst lebt aus einem beinahe unmöglichen Ausdruckswillen. „Letztlich möchte ich doch Zeichen setzen, die eine Strenge haben wie die Geometrie“, sagt sie – und weiss doch auch um eine andere Dimension: „Die Linie muss vibrieren, leben, darf nur Ausdruck für etwas sein, sie muss in sich selbst leben.“ Es ist ihr ureigenes Ringen um die Quadratur des Kreises.
Aus dieser Gestaltungskraft lebte nicht nur das ursprüngliche Signet des Lassalle-Hauses. Sie war auch in mehreren Ausstellungen im Lassalle-Haus unmittelbar erlebbar. Ein Gewinn für das Haus, das ja bereits architektonisch ein ähnliches Spiel der Gegensätzlichkeiten ist: Ein Wechselspiel, das sich niemals in einer Äusserlichkeit gefällt, sondern in eine andere, spirituelle Dimension drängt. Und gewiss gibt es aus dieser starken Verbindung zur Spiritualität des Ortes auch Wechselwirkungen zurück und hinein in ihr künstlerisches Wirken.
Denn: „Ich traue immer weniger dem Festgefügten, Gebauten, was zu schnell eindeutig erscheint.“ Irma Bamerts künstlerisches Credo könnte man genauso als Leitmotiv für den Genius Loci in Bad Schönbrunn lesen.
Irma Bamert feiert ihren 100. Geburtstag! Und wir Jesuiten im Lassalle-Haus feiern sie in grosser Dankbarkeit und Verbundenheit. Und wir tun das auch im Namen der vielen Freundinnen und Freunde, die hier an diesem Ort mit Irma Bamert und ihrer Kunst in Berührung gekommen sind.
Geboren wurde sie am 2. Mai 1925 als mittleres von neun Kindern in einem bäuerlichen Hof in Freienbach, Kanton Schwyz. Früh spürt sie den Drang, Malerin zu werden. Aber diesen Traum kann sie sich nur über Umwege erfüllen. Günter W. Remmert erinnert sich an ein Gespräch, in dem Irma Bamert ihre kindliche Unruhe beschreibt: „Aber da war noch etwas ganz anderes, das sich zu Worte meldete – eine unbestimmte Sehnsucht, etwas wie Heimatlosigkeit oder eher Heimweh, das ich immer wieder verspürte. Dazu gehörte ein Suchen nach dem Hintergrund der Dinge, ein Hindurchsehenwollen durch das Vordergründige, Alltägliche.“
Der familiären Situation geschuldet beginnt sie eine Ausbildung als Krankenschwester und spezialisiert sich auf Psychiatrie. Später arbeitet sie mit Kindern, die unter psychischen Störungen leiden. Als 25-Jährige bekommt Irma Bamert ein Stipendium an der Städtischen Kunstgewerbeschule Zürich, der heutigen Schule für Gestaltung. Dort unterrichtet sie auch von 1967 bis 1980 und bildet Werklehrer aus. Sie erhält Stipendien für Studienreisen und wird mit dem Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis geehrt. Nach Beendigung der Lehrtätigkeit arbeitet sie als freischaffende Malerin und Keramikerin.
Über die nicht minder faszinierende – in Form und Gestalt geradezu „Lassalle-hafte“ – Keramik-Kunst von Irma Bamert, die ganz ohne Töpferscheibe auskommt, schreibt Ursula Isler in einem Essay: „Nach uralter Technik wird der von der Künstlerin gemischte Ton zu dünnen Schnüren gerollt und allein mit dem Druck der Fingerspitzen, einem geduldigen Streichen, Ausbuchten und Glätten, langsam in die Höhe und zur endgültigen Form gezogen. Auf diese Weise entstehen unwahrscheinlich dünne Gebilde, jedes wie ein natürlich gewachsenes Ding dem Zirkelschlag nahe, aber die genaue Kreisform umspielend. Die für die Herstellung einer einzigen Schale benötigte Zeit scheint dabei bedeutungslos; diese Keramik ‚wächst‘ nach ihren eigenen Gesetzen.“
Kurzum: „Die Werke aber, welche die Feuerprobe bestanden haben, gehören zum Besten, was sich in schweizerischer Keramik finden lässt.“
Von Herzen Dank, liebe Irma Bamert: für diese künstlerische Unruhe, das Ringen, Gestalten und Prägen, welches gerade im Lassalle-Haus Bad Schönbrunn einen solchen Resonanzraum bekommen durfte.